Rolling Stone

Am letzten Montag (sorry für die Verspätung…ich hatte keine Zeit) fiel der Startschuss.

Pünktlich eine Woche vor der geplanten Verkündung der neu-manipulierten Regelsätze brachten die Medien den bekannten HartzIV-Stein ins Rollen.

Wie schon bei allen früheren Regelsatzdiskussionen auch geht es ausschließlich darum, zugunsten einer Ausweitung der Niedriglöhne alles an die Front zu schicken, was irgendwie eine Erhöhung verhindern könnte.

Völlig unabhängig davon, um was es eigentlich geht:

Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar geurteilt, dass die Regelsätze nicht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Transparenz und der Nachvollziehbarkeit entsprechen.

Der Grund für diesen Makel („handwerklicher Fehler“) ist auch bekannt: Die sog. „SPD“ wollte im Jahr 2004 alles dafür tun, um im Jahr 2005 mit einem „sauberen und ausgeglichenen Bundeshaushalt“ in den Wahlkampf für 2006 zu ziehen.

Das war nahezu unmöglich, da man ja vorher schon durch allerlei „Reformen“ und milliardenschwere Steuergeschenke an die Finanz“wirtschaft“ den Staatshaushalt grundlegend ruiniert hatte.

Also sollten die Suppe mal wieder jene auslöffeln, welche eh schon wehrlos am Boden lagen: die Unterschichtler aus der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe.

Da das regulär errechnete Alg2 allerdings dem Ziel des Herrn Eichel im Weg stand, wurde der Regelsatz mit allerlei absurden Begründungen auf 331 bzw 345 Euro reduziert. Details bitte hier nachlesen: regelsatz-luege als pdf.

Schon nach 5 Jahren fand sich das Bundesverfassungsgericht dann in der Lage, die Tatsache dieses Schwindels zu Kenntnis zu nehmen. Da weder die Bundesregierung noch ihre „Experten“ in der Lage waren, die staatliche Willkür der Regelsatzmanipulation zu begründen, wurde das asoziale Gesindel zur Neuberechnung verurteilt.

Ein Bestandteil des Urteils war der Satz, dass die Regelsätze „nicht evident zu niedrig“ seien.

Ein Geschenk des reaktionären Verfassungsrichters Papier an diejenigen Politiker, welche sich die Option für eine weitere Verarmung der Bevölkerung bewahren wollten.

Da das Gericht ja selbst geurteilt hatte, das der Regelsatz und seine Berechnung unerklärbar waren, war das gleiche Gericht natürlich nicht in der Lage, die Höhe des Regelsatzes als „zu hoch“ oder „zu niedrig“ zu bewerten. Wie auch?

Aber das Ziel wurde dennoch erreicht: Medien und Politik verkündeten fröhlich „Der Regelsatz bleibt wie er ist, er kann sogar noch gekürzt werden!

Eine grobe vorsätzliche Manipulation der Realität.

Ein transparenter und nachvollziehbarer Regelsatz kann unter keinen Umständen gleich bleiben oder verringert werden. Es sei denn man schafft es, die Existenz von Sportflugzeugen, Segeljachten und italienischen Maßanzügen bei der Gruppe der untersten 20% der Einkommensbezieher nachzuweisen.

Der Spiegelfechter hat zudem auf die Problematik aufmerksam gemacht, dass die unteren 20% ja zum großen Teil selbst Bezieher von Sozialleistungen sind.

Theoretisch und logisch müsste man also den Regelsatz nach den bedarfstypischen Ausgaben derer berechnen, welche bereits gut genug verdienen, um keine „Aufstocker“ o.ä. zu sein. Dabei muss sichergestellt werden, das auch jene „aussortiert“ werden, welche sich nach jahrelanger HartzIV-Hetze nicht mehr trauen, ihren Anspruch auf ergänzendes Alg2 geltend zu machen.

Nach Berechnungen verschiedener Sozialverbände müsste ein verfassungskonformer Regelsatz irgenwo zwischen 580 und 620 Euro liegen.

Aber dazu wird es wohl nicht kommen.

Die Medien sind schon wieder dabei, aus vollen Rohren gegen einen ordentlich berechneten Regelsatz zu feuern.

Die „Argumente“ sind abenteuerlich: Da wird wieder die Mär von den „fehlenden Anreizen zum Niedriglohn“ erzählt in völliger Ignoranz der real existierenden Aufstocker.

Da wird wieder mit dem sog. „Lohnabstandsgebot“ hantiert ohne darauf hinzuweisen, das ein Abstand immer nur zwischen 2 Punkten existieren kann. Heute gibt es aber nur einen Punkt: den Regelsatz.

Den dringend notwendigen 2. Punkt als Bezug wehrt man seit Jahren kräftig ab: einen gesetzlichen Mindestlohn.

Da kommt dann auch der alte Spruch von der „Arbeit, die sich wieder lohnen müsse“ ohne zu bedenken, das noch nie jemand sein Einkommen als „lohnend“ bezeichnet hat durch den Vergleich mit Sozialleistungen. Ob sich eine Arbeit lohnt oder nicht entscheiden immer die Lebenshaltungskosten.

Aber diese Widersprüche stören offensichtlich niemanden.

Obwohl die Bundesregierung rechtskräftig zur bedarfsgerechten Neuberechnung des Regelsatzes verurteilt wurde wird jetzt schon von CDU und FDP klargestellt, das man seiner Verfassungsfeindlichkeit weiterhin treu bleiben wird.

Anstatt über Warenkörbe, Energiepreise oder den normalen täglichen Bedarf an Gütern und Dienstleistungen zu reden, spricht man ungeniert nur noch über die Kassenlage, die vermeintlichen Ungerechtigkeiten gegenüber Arbeitnehmern und Rentnern, undefinierte Lohnabstandsgebote und vielem anderen mehr, welches rein garnichts mit einer bedarfsorientierten Berechnung zu tun hat.

Springers WELT versuchte sogar den Eindruck zu erwecken, dass „illegale Drogen und Glücksspiel“ nun nicht mehr im Regelsatz enthalten wären. Für diese Regelsatzposten gilt allerdings das Gleiche wie für Bildungsausgaben: Sie waren nie vorgesehen und damit auch nie enthalten.

Und damit offenbart sich das nächste Problem: Die detaillierten Berechnungen des Original-Regelsatzes (also des ungekürzten) sind bis heute Staatsgeheimnis.

Von etwa 48 bis 56 Einzelposten sind bisher aus der Ableitung des 2004 ersetzten Sozialhilfesatzes nur etwa 12 Posten bekannt. Aber auch hier nur als Schätzwerte.

Was könnte die Leyenministerin davon abhalten, einfach „überflüssige“ Regelsatzteile zu erfinden, um mit deren „Abschaffung“ eine Kürzung zu rechtfertigen?

Von der Androhung einer neuen Verfassungsklage wird man sich jedenfalls nicht beeindrucken lassen…schließlich wird es diesmal mit Sicherheit mehr als 5 Jahre bis zu einem Urteil dauern. Zumal jedes einzelne von CDU und FDP beschlossene Gesetz bisher eine Verfassungsklage zur Folge hatte.

Die Akten stapeln sich also schon wieder in Karlsruhe….

Ein weiteres Problem wird die „Kopplung“ der Leyen-Reform an neue Sanktionsregeln.

Aus dem „Ermessen“, ob eine Verfehlung (zu spät zum Termin oder zu wenig sinnfreie Bewerbungen) sanktionswürdig ist, soll nun die Pflicht zur Sanktion werden. Sofort und ohne Gnade oder Rücksicht.

Die übliche aufschiebende Wirkung bei Widersprüchen oder ungeklärter Sachlage war ja schon 2005 abgeschafft worden. Und wenn man dann noch bedenkt, das es in Ballungsräumen teilweise 1 bis 2 Jahre dauert, bis man vom Sozialgericht Recht bekommt, sind die „Einsparungen“ schon lange realisiert.

Man erwägt sogar schon, Nachzahlungen zu unterbinden, da der Sanktionierte die Kürzungs- bzw. Sperrzeiten ja offenkundig überlebt hat…

Darf’s noch ein bisschen mehr sein?

…fragt BILD in Person einer Stephanie Jungholt.

So wie ihre Mann bei der WELT ist auch Stephanie ein klassisches Beispiel für den aktuellen Rolling Stone:

Schon jetzt arbeiten Hunderttausende hart für einen Lohn, der kaum höher als Hartz IV liegt!

Schon jetzt ist der Anreiz zu arbeiten für viele Hartz-IV-Empfänger zu gering!

Ich will ja nicht meckern…aber ein klein wenig widersprüchlich ist das schon, gelle?

Schon jetzt kostet das Ganze den Staat etwa 45 Milliarden Euro im Jahr!

Boah ey! Ist das jetzt viel oder wenig in der bevölkerungsreichsten Industrienation der EU mit Super-XL-Aufschwung?

Hoffentlich lässt sie (Frau von den Laien) sich nicht von vordergründigem Geschrei beirren.

Hehe…wie verlogen ist DAS denn?

BILD hat schließlich mit dem „vordergründigen Geschrei“ angefangen, um die Regelsatzberechnungen zu beeinflussen und zu manipulieren.

Ganz im Sinne eines niedriglohngedopten Exportaufschwungs für die DAX-Konzerne.

3 Tage vor dem „HartzIV-Urteil“ war die verwirrte Stephanie Jungholt voller Elan dabei, im letzten Moment noch das Bundesverfassungsgericht „auf Linie“ zu bringen:

Druck kann auch Hilfe sein vom 06.02.2010

Und kaum ein Tag vergeht ohne neue, teilweise haarsträubende Nachrichten

Es vergeht ja auch kaum ein Tag, an dem die BILD nicht erscheint. 😀

165000 Hartz-IV-Empfänger haben im letzten Jahr versucht, den Staat abzuzocken

Womit sich eine „Missbrauchsquote“ von weniger als 1% der Alg2-Bezieher ergibt.

Allerdings hat dieser Satz auch einen geringfügigen und damit vernachlässigbaren Schönheitsfehler: Er stimmt nicht.

Selbst die Bundesagentur hat davor gewarnt, diese Zahl als „Missbrauchsfälle“ zu interpretieren.

Erfasst wurden nämlich auch „Betrüger“ mit fehlerhaft ausgefüllten Anträgen, unbestätigte Verdachtsfälle und ähnliche Schwerverbrecher. Natürlich hat Frau Jungholt sicher nur „vergessen“, das mehr als die Hälfte dieser Kriminellen von den Sozialgerichten freigesprochen wurden.

Deutschlands frechster Arbeitsloser Arno Dübel prahlt damit, seit 36 Jahren nicht gearbeitet zu haben.

Und wo prahlt er? Natürlich in BILD. 😀

Da fällt mir ein…müsste es bis nächsten Montag nicht auch wieder einen „frechsten Hartz-Abzocker Deutschlands“ geben?

Berlins mutiger Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) warnt, dass immer mehr Arbeitslose sich „eingerichtet“ hätten – womöglich bis zu 20 Prozent.

Hehe…Thilos bester Freund.

Aber das kann ich locker toppen: Ich behaupte ganz einfach mal, das sich ALLE HartzIV-Empfänger nach spätestens 2 Monaten „in HartzIV eingerichtet“ haben.

Was bleibt ihnen denn anderes übrig? Alte Omas überfallen oder eine Bank ausrauben?

Denn nur wer sich gehorsam unterwirft und vollständig „in HartzIV einrichtet“ kann Schikanen reduzieren und Sanktionen vermeiden.

Aber Studien zeigen, dass sie nicht nur Hilfe, sondern manchmal auch Druck brauchen.

Die Urheber dieser „Studien“ sind hinlänglich bekannt. Dafür hat schon die INSM gesorgt.

Druck,auch einen unbequemen Job anzunehmen. Druck, früh aufzustehen. Oder auch Druck, in eine andere Stadt zu ziehen.

Wer einen anständigen Job findet oder angeboten bekommt braucht keinen Druck.

Aber das ist diesen Leuten egal.

Profit entsteht durch unbezahlte Arbeit. Und das ist alles, was zählt.

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One Comment - “Rolling Stone”

  1. Anonymous Says:

    Aufgelesen und kommentiert 2010-09-23…

    Lohn-Plus – und doch wenig Grund zum Jubeln Aktueller Hartz IV Referentenentwurf in vielen Teilen verfassungs- und rechtswidrig SPD verspricht bei Wahlsieg vollständige Aufhebung der Gesundheitsreform GRÜNE fordern Transparenz bei Ermittlung neuer Hart…


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